Ausbildungs-Standards

EN 15567, Erca-Standards und andere Sicherheitsstandards und -normen

Ausbildungs-Standards

Beitragvon Max » Do Feb 28, 2008 12:36 pm

Hallo erst mal an alle ! Bin neu und unbedarft in der Branche, komme aus der seilunterstützten Baumpflege.
Pfi, Walter und Philipp habe ich bereits in der echten Welt kurz kennen gelernt.

Auch hier im Forum taucht ja schnell immer wieder das Thema der Qualität der Schulung der RC-Trainer als ein wichtiges auf.
Da ich mich gerne auch in diese Richtung entwickeln möchte stellt sich für mich persönlich die Frage nach hochwertiger Ausbildung.
Habe bis jetzt bei meiner Suche den Eindruck gewonnen daß es einiges gibt, aber irgendwie jeder sein eigenes Süppchen kocht (= unterschiedliche Zertifizierungen).

Also:

Gibt es internationale (und/oder europ.) Ausbildungsstandards für Rc-Trainer und wer setzt die eurer Meinung nach in Ö vernünftig um ?

Gibt es solche Ausbildungen/Zertifizierungen auch für den Bau von RC ?
Wer bietet sowas an ? Habe den Eindruck diese Aufgabe obliegt bis jetzt fast vollständig den Kollegen aus den Bergen :roll: :mrgreen:
(Die Kür wäre für mich natürlich dabei von meinem Hintergrund aus der Baumpflege profitieren zu können !)

Hoffe ich bin hier als "Nicht-Profi" kein Störfaktor, aber so ein auf dieses Thema spezialisiertes Forum wie dieses scheint mir eine ideale Möglichkeit für mich an profunde Informationen zu kommen.
Und vielleicht kann ich ja mit meinem Fachwissen auch einmal hilfreich sein, wer weiß...

Dank & Gruß,,

Max
Max
 

Beitragvon Max » Do Feb 28, 2008 12:44 pm

Ach ja, gleichzeitig soll dieser Thread natürlich auch dazu dienen allgemein das Thema RC-Ausbildung zu behandeln, ganz abgesehen von meiner selbstischen Anfrage :D

Dürfte ja ein weites Feld sein...
Max
 

Beitragvon Walter » Mi Mär 12, 2008 1:14 am

Hallo Max, ich werde dir hier meine ganz persönliche, private Ansicht mitteilen:

Habe bis jetzt bei meiner Suche den Eindruck gewonnen daß es einiges gibt, aber irgendwie jeder sein eigenes Süppchen kocht (= unterschiedliche Zertifizierungen).

Das ist eindeutig so. Jeder machte und macht, was er/sie will. Zur Zeit sind die ersten Veränderungen im Gange. Mit den ACCT Standards (Anfang 90er) und in weiterer Folge den Erca Betreiber Standards und Trainerstandards wurde ein erster Anfang gemacht.
Die ERCA hat jetzt einen einheitlichen Zertifizierungsprozess für die Erst- und Folgeinspektionen umgesetzt. Das ist erstmalig in Europa der Fall und ein absoluter Durchbruch. Bisher haben zertifizierende Stellen gemacht, was sie wollten.
Gibt es internationale (und/oder europ.) Ausbildungsstandards für Rc-Trainer und wer setzt die eurer Meinung nach in Ö vernünftig um ?
International (Welt) gibt es meines Wissens nichts. Die europäischen Standards (Erca Standards und EN 15567sind interessanterweise z.T. auch in Asien gefragt.
Diese Standards sind aber nur absoluter Minimalkonsens zwischen Interessensgruppen, deren Ziel sehr divergiert. Sie entstehen in einem teilsweise demokratischen Prozess, was immer eine Einigung auf dem niedrigsten gemeinsamen Nenner zur Folge hat. Sie sind sehr offen gehalten.
Und nicht einmal diese Minimalstandards sind verbindlich!
Meine persönliche Einschätzung zur Umsetzung:
Die IOA hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die höchsten Ausbildungs- Bau- und Betreiberstandards, sie hat auch die meiste Forschung betrieben und die meiste Erfahrung auf diesem Gebiet in Europa. Die IOA hat sich der Zero Accident Philosophie verschrieben. Das hat meines Wissens keine andere Ausbildung. Der entsprechende Standard (Internationaler Industriestandard) hat sich nie durchsetzen können, da sich ohne Verpflichtung von oben die Mehrheit durchsetzt.
Die anderen Ausbildungen sind schwer einschätzbar, da es auch sehr wenig Austausch gibt. Die meisten kochen in ihrem eigenen Saft.
Gibt es solche Ausbildungen/Zertifizierungen auch für den Bau von RC ?
Das gleiche wie oben gilt für diesen Bereich. Es ist aber noch mehr Wildwuchs hier zu finden. Es dürfte sich aber durch die EN langsam etwas ändern.
Wer bietet sowas an ? Habe den Eindruck diese Aufgabe obliegt bis jetzt fast vollständig den Kollegen aus den Bergen
(Die Kür wäre für mich natürlich dabei von meinem Hintergrund aus der Baumpflege profitieren zu können !)
Das Problem ist: Ropes Courses sind etwas sehr spezielles und spezialisiertes, mit anderen Bereichen nur scheinbar verwandt. Mit dem alpinen Bereich hat es z.B. so gut wie nichts gemeinsam, die „Kollegen aus den Bergen“ gehen daher von falschen Annahmen aus, wenn sie auf ihre Erfahrung und Ausbildung zurückgreifen.
Das gleiche gilt, sorry, für die Baumpflege.
Aber nun die gute Nachricht, auch für dich: Alle können voneinander profitieren. Zur Zeit findet diese gegenseitige Annäherung langsam statt. Und dabei wird dein Fachwissen hilfreich sein! Das ist ja übrigens auch das Ziel dieses Forums, diesen Austausch zu forcieren.
Das war eine erste, spontane Antwort ...
Walter Siebert
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Beitragvon Max » Mo Mär 24, 2008 8:16 pm

Servus Walter !

Für eine spontane Antwort ziemlich ausführlich, Danke !

Die IOA Ausbildung finde ich in der Tat sehr interessant. Wird da der Bau von RC auch behandelt ?
Dazu fand ich bis jetzt folgendes Angebot am spannendsten für mich >> Mobiler Seiltrainer Ausbildung von Outdoorpädagogik.at.

Hat jemand Lust etwas dazu zu sagen, Kritik und/oder Positives ?
Was gibt es vergleichbares ?

Das in diesem Bereich wenig Austausch innerhalb "der Szene" stattfindet überrascht mich ehrlich gesagt und ist wohl bedauerlich, da dieser gerade in so speziellen Bereichen enorm wertvoll und fruchtbar sein kann.
In der Baumpflege funktioniert das erfreulicherweise recht gut.

Zu Zero Accident: Prinzipiell sicher der optimale Zugang, aber ist der Bergriff nicht ein wenig irreführend ? Ich meine 100%ige Sicherheit gibt es nirgends, schon gar nicht wenn Menschen am Werk sind, und noch weniger wenn diese in mehreren Metern Höhen mit Seilen und Karabinern hantieren, oder ?
Max
 

Beitragvon Philipp » Mo Mär 24, 2008 10:16 pm

Servus Max,
100% Risikofreiheit gibt es nirgends, keine Frage. Der Begriff Zero Accident stellt den Anspruch, dass Vorgehens-, Bauweisen oder Materialien, die einen Unfall, Beihnaheunfall oder Vorfall verursacht haben , hinterfragt und untersucht und gegebenenfalls nicht mehr weiterverwendet werden dürfen bzw. verbessert werden müssen. Zero Accident bezieht sich daher nicht darauf, dass kein Unfall mehr passieren darf (das ist in der Tat illussorisch), sondern dass kein Unfall unbehandelt und unberücksichtigt sein soll. Dass der Name provokant ist, kann ich nicht leugnen (ist aber wohl soweit ich weiss gewollt).
Zur Ausbildung Mobile Seilarbeit: Mobile Seilgärten sind jene Seilgärten, die sich transportieren lassen (zB. am LKW) , um sie zwischen Stahl- oder anderen Gerüsten auf Messen oder Veranstaltungen aufzubauen.
Der kurzfristige Aufbau von Abenteuer- oder Seminarelementen zwischen Bäumen oder anderen natürlichen Anschlagpunkten, wie zB. einer Riesenleiter oder eines Elevators nennt sich temporäre Seilelemente. Wird ein Seilelement für weniger als 7 Tage angebracht, so ist es temporär und fällt nicht unter die EN15567.
Es werden in diesem Bereich zahlreiche Ausbildungen angeboten, es lohnt sich, die Angebote genau zu hinterfragen und nicht nur auf den Preis zu achten.
Liebe Grüße,
Philipp
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Beitragvon Jan » Mo Mär 24, 2008 11:59 pm

Der Begriff Zero Accident stellt den Anspruch, dass Vorgehens-, Bauweisen oder Materialien, die einen Unfall, Beihnaheunfall oder Vorfall verursacht haben , hinterfragt und untersucht und gegebenenfalls nicht mehr weiterverwendet werden dürfen bzw. verbessert werden müssen. Zero Accident bezieht sich daher nicht darauf, dass kein Unfall mehr passieren darf (das ist in der Tat illussorisch), sondern dass kein Unfall unbehandelt und unberücksichtigt sein soll.


Und wie seht ihr das Beispielsweise mit Einfachseilen in TopRope Systemen?
Seilrisse hat es auch da gegeben. Mit zwei Seilen im TopRope zu arbeiten ist wenig Praktikabel, besonders wenn man halbautomatische Sicherungsgeräte für Einfachseile benutzt.

Für mich entspräche es auch einer "Zero Accident Philosophie", nicht unbedingt eine Material- oder Funktionsredundanz einzubauen (Beisp. zweites Seil), sondern für mich entspräche es der Philosophie auch, wenn z.B. Prüfverpflichtungen und ein sorgfaltiger und vorausschauender Umgang praktiziert wird (Stichwort: Menschliche Redundanz, Prüfredundanz).

Für mich entsprechen Verbesserungen und das Elemienieren von Unfall- und Gefährdungsrisiken durch klare und deutliche Hinweise an Gefahrenstellen auch einer "Zero Accident Philosophie". (z.B. Stellen an denen man sich Stoßen oder Quetschen kann)

Wie seht ihr das???

Gruß
Jan
Jan
 

Beitragvon Walter » Di Mär 25, 2008 12:06 am

Zum Thema Ausbildungen:
Ich möchte über Ausbildungen, die ich nicht persönlich kenne, keine Bewertungen abgeben.
Am besten ist es, Absolventen zu finden und zu befragen.
Die IOA Ausbildung hat jedenfalls auch ein Seminar für mobile Bauten.

Zum Thema Zero Accident: Es ist eine Philosophie. Der Begriff ist das Ziel, das verfolgt wird. Alles, was dieses Ziel beeinträchtigt, wird beseitigt. Tätigkeiten, die nicht diesem Ziel gemäß durchgeführt werden können, werden unterlassen.
Deswegen sind sie ja nicht verboten! Sie sind nur nicht gemäß Zero Accident durchführbar.
Viele fühlen sich dadurch provoziert, haben ein Problem damit (übrigens nur Trainer, nicht die Teilnehmer). Aber das hat nichts mit der Zero Accident Philosophie zu tun, sondern damit, dass ihr eigener Risikobegriff ein anderer ist.
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Beitragvon Jan » Di Mär 25, 2008 12:09 am

Stimmst du mir, was die Seile angeht, nun zu oder nicht?
:wink:

Gruß
Jan
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Beitragvon Philipp » Di Mär 25, 2008 12:17 am

Servus Jan,
Redundanz bezieht sich nicht nur auf die Verwendung von Material, das vier Augen Prinzip ist eindeutig auch eine Redundanz - es hätte -gewissenhaft durchgeführt- sicher einige Unfälle verhindern können und vermutlich zumindest ein Kind im Rollstuhl verhindert.
Trotzdem glaube ich, dass Redundanz alleine nicht die Lösung für alles ist. In fehleranfälligen Bereichen, zB. dort wo Menschen kontrollieren ist sie meiner Meinung nach obligat, bei Material reicht in vielen Bereichen Überdimenesienierung und regelmässige Kontrolle.
Philipp
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Beitragvon Walter » Di Mär 25, 2008 1:03 am

Wenn ich etwas nach Zero Accident aufbaue:
Ich verwende entweder 2 Seile/Persone oder 2 Personen mit jeweils 1 Seil, die untereinander mit speziell dafür konstruierten Gurten verbunden sind.
Ich verwende aber keine halbautomatischen Geräte sondern eine mehrfache Umlenkung. Das funktioniert sehr gut, ist bewährt.
Ein Seil alleine ist sicherlich nicht Zero Accident.
Ich habe aber auch 2 unabhängige Stahlseilsysteme. Wenngleich es ein Diskussionspunkt wäre, wenn ein Stahlseil täglich inspiziert wird, ob es dann nicht auch als Einzelseil redundant begriffen werden kann, da sich (im Gegensatz zur Kette oder zum Perlonseil) ein Stahlseilriss ankündigt, indem zuerst einzelne Litzen reißen.
Zu Zero Accident gehört auch wie du richtig anmerkst:
Unabhängige Konntrolle der Aufbauten
Vieraugenprinzip bei allen lebenswichtigen Vorgängen (Einhängen, Umhägen,...)
Gewissenhafte Besprechung und (schriftliche) Auswertung von Vorfällen, Zwischenfällen, Beinaheunfällen,...
usw.
Deutliche Hinweise bei Gefahrenstellen sowieso, aber auch Beobachten durch Trainer an diesen Stellen, damit man rechtzeitig eingreifen kann.
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Beitragvon Jan » Di Mär 25, 2008 8:13 am

Walter hat geschrieben:Wenn ich etwas nach Zero Accident aufbaue:
Ich verwende entweder 2 Seile/Persone oder 2 Personen mit jeweils 1 Seil, die untereinander mit speziell dafür konstruierten Gurten verbunden sind.
Ich verwende aber keine halbautomatischen Geräte sondern eine mehrfache Umlenkung. Das funktioniert sehr gut, ist bewährt.
Ein Seil alleine ist sicherlich nicht Zero Accident.
Ich habe aber auch 2 unabhängige Stahlseilsysteme. Wenngleich es ein Diskussionspunkt wäre, wenn ein Stahlseil täglich inspiziert wird, ob es dann nicht auch als Einzelseil redundant begriffen werden kann, da sich (im Gegensatz zur Kette oder zum Perlonseil) ein Stahlseilriss ankündigt, indem zuerst einzelne Litzen reißen.
Zu Zero Accident gehört auch wie du richtig anmerkst:
Unabhängige Konntrolle der Aufbauten
Vieraugenprinzip bei allen lebenswichtigen Vorgängen (Einhängen, Umhägen,...)
Gewissenhafte Besprechung und (schriftliche) Auswertung von Vorfällen, Zwischenfällen, Beinaheunfällen,...
usw.
Deutliche Hinweise bei Gefahrenstellen sowieso, aber auch Beobachten durch Trainer an diesen Stellen, damit man rechtzeitig eingreifen kann.


Hallo Walter,

ich finde die Zero Accident Philosophie echt gut und bin auch der Meinung, das ich nach ihr arbeite!
Aber: Ich muss feststellen, dass die Philosophie, so wie du sie beschreibst, am Ende doch immer nur durch Materialredundanz (für dich) wirklich umsetzbar ist.
Für kleine und feine Seminaranwendungen stimme ich dir da auch völlig zu. Aber was ist mit allen anderen Anwendungen, die es in der Praxis gibt? Es gibt nicht überall solche Seminarbedingungen.
So wie du es beschreibst, können große Anlagen oder andere Anwendungen oder auch Kletterhallenhallen nie wirklich "Zero Accident arbeiten", nur wenn am Ende doch wieder die 100%ige Materialredundanz vorhanden ist. Die können (und wollen) vielleicht nicht alles Materialredundant (um)bauen, arbeiten aber dennoch so, dass kein Vor-, Beinahe- und -Unfall unbearbeitet und unberücksichtigt bleibt und treffen gute und sichere Vorkehrungen, um Risiken zu minimieren und ausschliessen zu können.
Nach deiner Beschreibung arbeiten diese aber nie wirklich nach der Zero Accident Philosophie.
Das finde ich ehrlich gesagt etwas schade.

Gruß
Jan
P.S.: Vieleicht machst du einen Threat "Zero Accident Philosophie" auf. Diese Diskussion passt ja nicht ganz in dieses Forumsthema.
Jan
 


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